Hilfe! Mein Depot schwankt von Tag zu Tag sehr stark, ich werde nervös. Sollte ich das Risiko minimieren und gut gelaufene Positionen verkaufen? Den Sturm abwarten? Wenn die Kurse fallen, sollte ich dann nicht schnell verkaufen und danach bei niedrigeren Kurven wieder einsteigen?
Ich möchte gerne einige Meiner Gedanken zu dieser Thematik teilen und, wie ich mir immer wieder in Erinnerung rufe, was meine eigentliche Strategie ist und was ich in den nächsten 10 Jahren erreichen möchte.
Was mir hierbei hilft ist es, mir immer und immer wieder vor Augen zu führen, wie wichtig es beim Investieren ist an seinen Prinzipien festzuhalten. Ich erlaube mir zwar Korrekturen an meiner Investitionsstrategie vorzunehmen, jedoch dürfen diese nicht zu schnell erfolgen, denn sonst bin ich nicht in der Lage zu erkennen, welche Elemente gut funktionieren und von welchen ich mich eher verabschieden sollte.
Börse ist keine exakte Wissenschaft - was einmal funktioniert, muss nicht immer funktionieren. So kann es, selbst wenn man einer eigentlich guten Strategie folgt, dennoch immer wieder zu Rückschlägen kommen.
Nehmen wir mal "Buy the dip" als Beispiel. Viele Menschen nutzen solche plötzlichen Rücksetzer zum Nachkauf. Dennoch sollte man nie unüberlegt Rücksetzer kaufen, sondern sich immer die Zeit nehmen herauszufinden, warum ein Kurs stark zurückgeht. Hätte man den Rücksetzer bei Wirecard Mitte 2020 gekauft (ich spreche aus Erfahrung - ich hatte ihn gekauft), wäre man auf die Nase gefallen.
Hier waren sich immer weiter verfestigende Betrugsvorwürfe im Spiel und man sollte bei solchen Rücksetzern einfach die Finger von den Aktien lassen, das habe ich daraus gelernt - eine zugegebenermaßen teure Lektion, aber ich werde sie nicht vergessen. "Buy the dip" bietet sich aber durchaus an, wenn durch eigentlich eher unerhebliche Nachrichten oder Gegebenheiten der Kurs einer Aktie überdurchschnittlich stark in Mitleidenschaft gezogen wird, beispielsweise wenn bei einem fundamental gut aufgestellten Unternehmen mit generell sehr guten Zukunftsaussichten mal ein Geschäftsjahr nicht so gut läuft.
Wichtig ist es für mich, mir immer wieder bewusst zu werden, dass, zumindest historisch gesehen, schlecht laufende Börsenphasen immer endlich waren und man langfristig immer auf der Gewinnerseite war.
Zur Beruhigung betrachte ich dann gerne Langfrist-Charts von Indizes wie Dax, S&P oder auch der NASDAQ. Alle 3 Charts sind von der Seite Finanzen.net , die ich ebenfalls nutze und empfehlen kann. Man kann sich hier die Indexcharts in einem sehr großen Zeitbereich darstellen lassen.
Zum Spaß habe ich im Beispiel den Zeitraum meines Geburtsjahres (1974) bis heute gewählt - bei der NASDAQ war das natürlich nicht möglich.
Was alle 3 Charts gemeinsam haben und was für mich der wichtigste Gedanke ist, der sich in das Gehirn des langfristigen Anlegers einbrennen sollte ist, dass über einen Zeitraum von 10 Jahren die Kurse fast immer steigen. Es gibt die Ausnahme der Year 2000 Bubble, bei der die Blasenbildung so stark ausgeprägt war, dass der, der im Top gekauft hatte mehr als 10 Jahre benötigte um wieder im Plus zu landen.
Dies ist allerdings eine sehr theoretische Betrachtungsweise, da dieser Fall fast nicht vorkommt. Denn dies würde bedeuten, dass dieser arme Mensch sein gesamtes Vermögen genau zum Zeitpunkt des Höchststandes in Aktien investiert hat.
Das ist für mich nicht der Normalfall.
In der Realität investierst du nicht alles auf einmal. Sondern du investierst schrittweise. Für gewöhnlich auch nicht alles in nur eine Aktie, oder Branche, oder ein Land.
Ich selbst hatte Mitte 2019 begonnen selbst in individuelle Aktien zu investieren (vorher hatte ich nur ETFs und ähnliche Finanzkonstrukte genutzt - einige besitze ich auch heute noch). Wenn ich jedoch nur die Einzelaktien als Anlage betrachte so bin ich seit Mitte 2019 Schrittweise an die Börse und habe so gesehen ein Cost Average erzielt (bezogen auf den Gesamtmarkt). Somit reduzierst du das Risiko, dass du ausgerechnet zu einem einzelnen, isolierten Zeitpunkt einsteigst an dem ausgerechnet die Kurse am absoluten Maximum stehen.
Und das Cost Averaging hat für mich auch zu diesem Zeitpunkt kein Ende, da ich ja immer wieder Kapital von meinem Gehaltskonto abzweige und stetig weiter investiere. Jeden Monat laufen Sparpläne und immer mal wieder tätige ich auch Einzelkäufe von Aktien von Unternehmen die ich zum aktuellen Zeitpunkt gut finde.
Als langfristiger Anleger, das hatte schon damals André Kostolany erkannt, ist man eigentlich immer im Vorteil, einfach aufgrund der Tatsache dass über lange Zeiträume die Kurse immer steigen. Diesen Vorteil kannst du aber nur nutzen, wenn dich Phasen, in denen die Kurse nach unten rutschen, nicht in Panik verfallen lassen und du dann zu Tiefstpreisen Aktien verkaufst, oder gar gezwungen bist zu verkaufen, weil du auf Kredit Aktien gekauft hast.
Daher ist es so wichtig, dass du nur Geld in Aktien investierst, das du kurzfristig nicht benötigst, damit du dieser Panik widerstehen kannst und solche Durststrecken, die im Extremfall auch viele Jahre andauern können, durchstehst, bis die Kurse wieder höher stehen und du dich an deinen Gewinnen erfreuen kannst.
Daher ist es wichtig niedrigere Kurse nicht als Negativum anzusehen. Denn eigentlich sind es Kaufgelegenheiten. Es sind Phasen in denen du für weniger Geld mehr Anteile einer Firma kaufen kannst. Sieh es als Sonderangebot. Wichtig ist dabei aber natürlich auf die Qualität zu achten. Daher solltest du immer versuchen den Überblick über deine Investments zu behalten, damit du rechtzeitig einschätzen kannst, ob eine Aktie wirklich ein Sonderangebot ist oder ob das Unternehmen in eine Schieflage gerät und der Kurs nur deshalb sinkt, weil viele Anleger denken das Unternehmen wird sich nicht mehr retten können. In solchen Fällen empfiehlt es sich tatsächlich lieber mit einem Verlust zu verkaufen als als letzter mit dem Schiff unterzugehen.
Time in the Market beats Timing the Market
Dies ist vielleicht die wichtigste Regel beim Investieren in Aktien, die es gibt. Um auf die anfängliche Frage zurückzukommen - Lohnt sich der Versuch eine Korrektur zu timen?
Meine klare Antwort ist hier - NEIN!
Warum? Betrachten wir mal den Crash des Dax, der aufgrund der Corona Pandemie im Feb/März 2020 ablief. Und nehmen wir mal an du warst zu diesem Zeitpunkt schon einige Jahre investiert und 50% im Plus. Und nun betrachten wir mal die täglichen Schwankungen, denen Kurse unterliegen. Es ist nicht so ungewöhnlich, dass eine Woche mal schlecht läuft und ein Kurs innerhalb einer Woche um 5% steigt oder sinkt.
Im Beispiel fiel der Kurs des Dax innerhalb 5 Wochen von ca. 13800 Punkten auf ca. 8200 Punkte. Da es höchst unwahrscheinlich ist, einen Crash zu antizipieren bevor er statt findet besteht eigentlich nur die Möglichkeit festzustellen, dass du in einem Crash bist, wenn er bereits begonnen hat. In der ersten Woche ging der Kurs nur schwach nach unten, so dass du ihn nur als leichte Schwankung wahrgenommen hättest. In der 2. Woche des Crashes ging es schon stark bergab. Es ist recht unwahrscheinlich, dass jemand zu diesem Zeitpunkt bereits damit rechnete, dass das nur der Anfang einer großen Kursbewegung war.
Es konnte schon alles gewesen sein oder es konnte auch noch Wochen- oder gar monatelang weiter nach unten gehen.
D.h. bis du eigentlich realisiert hättest, dass du in einem Crash bist (ca. Woche 3), hättest du sowieso schon die Hälfte des Kursverlustes erlitten. Wenn du nun verkauft hättest mit dem Ziel tiefer wieder einzusteigen - so kann ich dir fast garantieren, dass du nicht zum Tiefstpunkt Mitte März geschafft hättest dich wieder einzukaufen.
Zu diesem Zeitpunkt hättest du vermutet, dass es noch viel tiefer geht und dass, wenn der Kurs für einige Tage nach oben geht, es nur für einige Tage oder Wochen ist, bevor es weiter nach unten geht - es war nämlich zum damaligen Zeitpunkt nicht absehbar, dass es eine V-förmige Erholung gibt.
Du hättest also deine Aktien zu niedrigeren Kursen verkauft. Falls noch mit Gewinn, hättest du auch Kapitalertragssteuer bezahlt. Danach hättest du vermutlich zu spät wieder gekauft, evt. sogar wieder bei höheren Kursen als zu denen du ausgestiegen bist.
Daher empfiehlt sich im Normalfall einfach die Arschbacken zusammenzukneifen und diese Phase durchzustehen. Der Dax hat zwar lange gebraucht sich wieder zu erholen - dennoch steht er heute am 20.02.2021 wieder höher als damals 2020 vor dem Crash.
Bei anderen Indizes wie S&P und NASDAQ sogar wieder deutlich höher.
Grafik aus Tradingview - DAX -Corona Crash Frühjahr 2020
Daher empfiehlt sich am ehesten zu jedem Zeitpunkt noch einen Puffer zu haben um in solchen Phasen, wenn es stark bergab geht in Tranchen, also Schritt für Schritt interessante Aktien nachzukaufen.
Ich werde diese Jahr versuchen weiterhin streng an meiner Iron Will Strategie festzuhalten, auch in Wochen wieder vergangen, in der es mal wieder nicht so gut lief, ich mir aber sage, dass die Kurse in 10 Jahren mit fast 100%iger Sicherheit deutlich höher stehen werden.
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