Vor einigen Wochen habe ich das Buch "Education of a Value Investor" von Guy Spier mit großem Interesse gelesen. Er beschreibt darin seinen Werdegang von einem zunächst unmoralischen Stock Broker an der Wall Street, der zunehmend in Gewissenskonflikte geriet und wie er im Lauf der Jahre sich Grundsätze und Verhaltensweisen erarbeitet hatte und durch wertvolle Freundschaften zu Menschen wie Warren Buffett, Charlie Munger, Mohnish Pabrai und vielen Anderen sich zu einem viel entspannteren und gefestigteren Investor entwickeln konnte.
In diesem Post möchte ich auf eine Liste von Prinzipien eingehen, die er vor einigen Jahren bei Google Talks diskutiert hatte. Auf viele dieser Punkte geht er auch in seinem Buch ein. Anhand dieser Punkte möchte ich mich selbst analysieren, denn ich weiß, dass ich gegen viele dieser Prinzipien regelmäßig verstoße und sich das mit hoher Warhscheinlichkeit negativ auf meine Performance als Langfristanleger auswirkt. Daher macht es Sinn sich diese Fehler in regelmäßigen Abständen vor Augen zu führen und zu versuchen sie abzustellen.
Zunächst zur Liste, bevor ich dann auf die einzelnen Punkte eingehen möchte:
Stop checking the stock price
If someone tries to sell you something, don't buy it
Don't talk to Management
Gather Investment Research in the Right Order
Discuss Investment Ideas only with People who have no axe to grind
Never Buy or Sell Stocks when the Market is Open
If a Stock Tumbles after you Buy it, don't Sell it for Two years
Don't talk about your current Investments
Stop checking the stock price: Gleich hier kann ich mich an die eigene Nase fassen. Ich schaue täglich auf die Kurse und mein Depot und ich bin mir auch vollkommen bewusst, dass das eigentlich unsinnig ist, vor Allem, da ich mich nicht als Trader sehe sondern als Langzeit-Anleger. Ich möchte über viele Jahre hinweg investieren und mein Portfolio wachsen sehen. Da ich fest daran glaube, dass über den langfristigen Verlauf die Kurse immer steigen, sollte ich hier keine Sorgen haben. Es ist definitiv psychologisch sinnvoller nicht häufig ins Depot zu schauen, da sonst die Gefahr besteht, sich durch kurzfristige Schwankungen im Bereich von Wochen und Monaten aus der Ruhe bringen zu lassen oder gar im schlimmsten Fall Panikverkäufe zu tätigen. Aus der Erfahrung, die ich im Coronacrash gemacht habe, weiß ich, dass ich glücklicherweise nicht sehr dazu neige - dennoch bin ich nicht immun gegen äußere Einflüsse. Vielleicht werde ich wirklich mal einen Versuch starten nur noch 1 mal im Monat oder alle 2 Wochen ins Depot zu schauen. Die Kurse sollte man aber meiner Meinung nach dennoch nicht aus den Augen verlieren, da mein Anspruch auch ist, immer mal wieder bei guten Kaufgelegenheiten zuzugreifen.
If someone tries to sell you something, don't buy it: Dieser Vorschlag ist nicht nur an der Börse gut sondern auch im wahren Leben. An der Börse ist die Gefahr in eine Pump and Dump Falle zu geraten, gerade bei den vielen Börsengängen, die es im letzten Jahr gab, gab es zahllose Fälle bei denen Kurse unnötig hochgepusht wurden. Wer hier dann nicht rechtzeitig aussteigt, ist der Dumme. Auch Hypeaktien wie z.B. vor einiger Zeit die Wasserstoffaktien oder vor längerer Zeit die Cannabiswerte stellen hier eine Gefahr dar. Wobei ich diese Hypes durchaus interessant finde und es toll sein kann kurzfristig so eine Welle mitzureiten - man muss hier aber die Disziplin besitzen auch zum richtigen Zeitpunkt auszusteigen. In diese Kategorie fallen für mich weiterhin diverse Finanzprodukte, die dir für gewöhnlich deine Hausbank anbieten möchte, die dann angeblich besonders niedrige Risiken bieten etc. Warum bietet dir deine Bank wohl solche Produkte an? Weil der Berater eine Provision erhält und der Handel mit diesen Derivaten lukrativ für die Bank ist - denn diese sind so kalkuliert, dass in der Mehrheit der Fälle die Bank die Rendite einkassiert, durch die du dir die vermeintlich zusätzliche Sicherheit erkaufst. In diese Falle bin ich selbst auch schon getappt und werde hiervon zukünftig die Finger lassen. Analysten vielen hier eine wichtige Rolle. Daher sollte man nicht zu viel in Buy and Sell Ratings von Banken geben. Die Bank möchte Geld verdienen, daher werden sie diese Buy und Sell Ratings immer so aussprechen, dass die Bank davon profitiert - nicht du. D.h. wenn eine ohnehin schon sehr gut gelaufene und hoch bewertete Aktie, die bereits auf 500 US$ steht plötzlich nochmal von JP Morgan auf 700US$ aufgestuft wird, solltest du dir überlegen, ob du nicht deutlich vor 700US$ zumindest mal einen Teilverkauf tätigen wirst. Meiner Meinung nach neigt jeder Analyst immer zur Übertreibung.
Don't talk to management: Das Management einer Firma sind meist geübte Verkäufer. Sie wissen genau, was sie erzählen möchten und was verschwiegen werden muss, um die Zahlen der Firma oder die Aussichten in einem guten Licht darzustellen. Wenn z.B. Quartalszahlen herauskommen ist es häufig besser den Quartalsbericht nur zu lesen und nicht durch den Filter des Managements im Investor Call vorgetragen zu bekommen. So kannst du dir deine eigenen Gedanken und Interpretationen zurecht legen. Das Management wird in der Regel jeden noch so großen Mist in immer noch optimistischer Art und Weise vortragen.
Gather Investment Research in the right Order: Direkt an den vorherigen Punkt - zuerst die Quarterly/Annual Reports lesen, bevor man sich vom Management der Firma oder anderen äußeren Quellen beeinflussen läßt. Danach kannst du dir Investor Calls anhören oder auch weiteres Material über die Firma zuführen, wie Zeitungsartikel, Webartikel oder Bücher über die Firma lesen (falls verfügbar).
Discuss Investment Ideas only with People who have no axe to grind: Was hier gemeint ist, ist dass du am Besten deine Investment Ideen mit Leuten diskutierst die kein direktes Interesse an der Firma oder am Steigen des Kurses haben, die sich aber vielleicht ebenfalls mit dem Thema, der Branche, der Firma um die es geht auskennen. Du möchtest die Diskussion nicht mit jemanden führen, der bereits einen großen Batzen in die Aktie investiert hat, da es ja dann in seinem Interesse ist, dass der Kurs steigt. Am sinnvollsten ist es möglichst neutralen Input zu bekommen - das ist häufig schwer. Und ich muss auch selbst gestehen, dass mir in diesem Punkt wertvolle Ansprechpartner einfach fehlen. Ich habe hier aktuell nur sehr wenige Menschen, mit denen ich mich bezüglich meiner Ideen austauschen kann.
Never Buy or Sell Stocks when the market is open: Diesen Tip finde ich unglaublich wichtig und ich halte mich so gut wie nie daran und gebe mir daher einen mentalen Klaps auf den Hinterkopf. Ich platziere zwar immer Limit Orders, diese sind aber immer sehr nahe am aktuellen Marktpreis und nur als Sicherheit, besonders bei illiquiden Werten, damit ich nicht massiv überbezahle. Viel sinnvoller ist es sich viel langfristiger am Kurs zu orientieren und z.B. Limitorders für Aktien, an denen man Interesse hat für die nächsten Wochen einzustellen, so dass diese bei Erreichen des gewünschten Preises automatisch gekauft werden. Hier muss ich mich definitiv verbessern. Denn ich denke hier ist unglaublich viel Performance zu holen. 1-2% Performance machen so unglaublich viel aus, wenn man einen Betrachtungszeitraum von z.B. 10, 20 oder 30 Jahren hat.
If a Stock Tumbles after you Buy it, don't Sell it for Two years: Diese Regel beißt sich mit der Regel, die viele Investoren befolgen, Verluste zu minimieren und z.B. ein Stop Loss Limit zu setzen. Dennoch finde ich sie hilfreich und werde sie versuchen zu befolgen. Wenn man sich selbst dieser Regel setzt hilft sie einem dabei rationalere Entscheidungen zu treffen. Einerseits überlegt man sich genauer, welche Aktie man kauft, denn man weiß ja, man muss sie mindestens 2 Jahre halten, andererseits bewahrt sie einen vor emotionalen Reaktionen, bei kurzfristigen Kursschwankungen. In der Regel ändert sich in kurzen Zeiträumen in fundamentaler Hinsicht nicht viel bei einem Unternehmen, das seit Jahren stabil läuft. Diese Regel kann allerdings sehr schmerzhaft sein, wenn man nicht weit genug diversifiziert ist. Wenn ich nur 5 Aktien halte und eine davon richtig abschmiert dann zieht sie das ganze Depot runter. Wenn ich 30 Aktien halte und eine davon abschmiert ist das Risiko verträglicher. Auch nach der Analyse der Bücher "100 to 1 in the stock market" und "100 Baggers" empfiehlt es sich nicht, Aktien, die mal um 50% abstürzen sofort zu verkaufen. Wenn man sich seiner Analyse sicher ist, kann man dann auch nachkaufen. Was man rückblickend sagen kann, z.B. im Bezug auf Aktien wie Amazon, Monster Beverage und auch andere Werte, die ich in die Kategorie 100-bagger stecke, ist, dass wenn man diese bei 30% oder 50% Schwankungen verkauft hätte, so wären einem viele 100 Prozent Gewinne entgangen. Ich werde versuchen diese Regel zu implementieren.
Don't talk about your current investments: Hier schlägt der "Commitment" oder "Consistency" Bias zu Buche und man kommt sich gegebenenfalls selbst in die Quere. Wenn man z.B. von einer Aktie vollkommen überzeugt ist und das im gesamten Bekanntenkreis herumerzählt. Wie grandios das Unternehmen ist und wie glücklich man mit der Entscheidung ist die Aktie gekauft zu haben. Sollten sich die Fundamentaldaten ändern und man überlegt es sich anders - so wird es einem deutlich schwerer Fallen, sich für einen Verkauf zu entscheiden, da man ja dann von seinen Mitinvestoren komisch angeschaut werden könnte und das einem "Ehrenverlust" gleichkommen könnte und es der Scham gleichkommt öffentlich zugeben zu müssen, dass man falsch lag. Kann ich nachvollziehen und kam mit bestimmt auch damals bei Wirecard in die Quere, da ich ja so überzeugt von dem Unternehmen war und so selbst im freien Fall meinte, nochmal nachkaufen zu müssen. Das war teures, aber auch sehr gut investiertes Lehrgeld.
Ich werde versuchen, diese Regeln für mich besser zu integrieren und mich auch öfters daran zu erinnern, wenn ich meine Investmententscheidungen treffe.
Ich hoffe auch für dich als Leser meines Blogs hier den ein oder anderen sinnvollen Tip dabei zu haben.
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