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AutorenbildAktien-EXP / Sebastian

Ist Wirecard ein Kauf? --Antwort Nein - Update!

Aktualisiert: 21. Juni 2020

Geschäftsmodell Wirecard:

WICHTIG! Aufgrund der aktuellen Ereignisse bitte zu Ende lesen und auch den letzten Abschnitt in ROT brücksichtigen. Der Großteil meiner Betrachtung erfolgte Anfang 2020 und war zunächst positiv!

Wirecard bietet Produkte und Dienstleistungen im Bereich mobile Payment, eCommerce, Finanztechnologie und Mehrwertdienste an. Im Bereich eCommerce beispielsweise als Bereitsteller für Checkout-Portale für eine Vielzahl von Zahlungsarten für Online Shops für kleinere und mittelständische Unternehmen. Wirecard fungiert hier als Makler zwischen Käufer und Händler, garantiert für die Bazahlung, auch bei Zahlungsausfall und verbucht dafür für sich weniger als 2% des Zahlbetrages für diese Gewährleistung.

Wirecard hat aber auch eine Vielzahl an Kooperationen mit diversen Großkunden wie TUI, KLM, ALDI, IKEA, Alipay etc. an. Der Kundenstamm umfasst mittlerweile mehrere hunderttausend Unternehmen.


Kursschwächen und Trouble mit der Financial Times:

In der langjährigen Historie des Unternehmens gab es immer wieder durch Pressemeldungen verursachte Kursschwächen. Wer hier alle Details wissen möchte, kann sich auf Wikipedia schlau machen. In jüngster Vergangenheit kam es haupsächlich zu Auseinandersetzungen mit der Financial Times, deren Berichterstattung bzgl. vermeintlich intransparenter Bilanzierung zu sehr großen Kursrücksetzern führten. In Gegenrichtung gibt es laufenden Untersuchungen, die feststellen sollen, ob es Verbindungen zwischen Financial Times Journalisten und Leerverkäufern gibt, nachdem die Bafin im April 2019 Strafanzeige wegen Verdachts auf Marktmanipulation seitens FT-Mitarbeitern gestellt hatte.

Wirecard selbst hat zwischenzeitlich eine Sonderprüfung des Wirtschaftsprüfers KPMG beauftragt um die Verdachtsmomente bzgl. falscher Bilanzierung auszuräumen.


Fundamentaldaten und meine Meinung:

Unabhängig von den ganzen Turbulenzen im Kursverlauf und der Pressemeldungen muss man anerkennen, dass sich Wirecard, dessen Wurzeln in den frühen 2000ern liegen zu einem soliden Branchenriesen entwickelt hat.

Die Marktkapitalisierung liegt bei ca. 14 Mrd Euro.

Im Folgenden zeige ich Unternehmensdaten ab 2012 bis 2018, die ich verschiedenen Onlinequellen entnommen habe (Ariva, börse-deutschland). Die Zahlen für 2019 sind noch nicht veröffentlicht. Daher habe ich diese abgeschätzt, basierend auf den bisher veröffentlichten Q3/2019 Zahlen und der Vermutung, dass sich im Q4 nicht sehr viel ändert. Ich vermute aber, dass die angenommenen Zahlen eher noch zu niedrig sind, da ich im Q4 eher nochmals einen Anstieg vermuten würde, da sicherlich Wirecard auch von der höheren Anzahl Transaktionen im Weihnachtsgeschäft profitiert.




Bild ersetzt nach Finanzskandal June 2020


Wirecard entwickelt sich in den letzten Jahren relativ konstant mit einem Umsatzwachstum zwischen 30-40% sowie einem Gewinnwachstum, das gleich bis zuweilen sogar etwas höher ausfällt.

2018 lag der Umsatz bei ca. 2 Milliarden Euro und wird vermutlich 2019 fast auf 2,8 Milliarden steigen. Der Gewinn wird vermutlich bei ca. 600 Mio im Jahr 2019 liegen.

Die Eigenkapitalquote betrug zuletzt knapp über 30%, was für ein Unternehmen in dieser Sparte üblich ist und positiv zu bewerten ist.


Jetzt zu meiner Meinung: Ich bin selbst in Wirecard investiert und bin auch am Überlegen meine Position aufgrund des günstigen Kurses weiter auszubauen. Der Grund ist, dass das Unternehmen meiner Meinung nach im Vergleich zum direkten Konkurrenten Adyen stark unterbewertet ist. Ich vermute, dass das KGV von Wirecard nach Veröffentlichung der Jahresbilanz im Bereich 20-30 liegen wird. Beispielsweise liegt das von Adyen bei über 100. Wirecard könnte man daher als "Schnäppchen" bezeichnen, zumal, sollte der Kurs noch weiter stagnieren oder sogar nochmal zurücksetzen, das KGV aufgrund der trotzdem weiter zu erwartenden Gewinnsteigerungen irgendwann sogar in den einstelligen Bereich rutschen.

Das Unternehmen wächst seit vielen Jahren um 30-40% jährlich - es gibt aktuell für mich keinen Anhaltspunkt warum sich das in naher Zukunft ändern sollte.

Die Sonderprüfung von KPMG ist noch nicht abgeschlossen. Sollte diese aber bestätigen dass keine oder maximal kleinere Unregelmäßigkeiten vorliegen (was ich bei Millionen bzw. Milliarden durchgeführten Transaktionen nicht für ausgeschlossen halte) denke ich, dass der Wirecard Kurs in einen starken Aufwind gerät und wieder Kurse von 200 Euro und mehr möglich sind.


Zu den Betrugsvorwürfen ist meine Meinung folgende: Bei einem Unternehmen dieser Größenordnung ist es für mich äußerst schwer vorstellbar, dass systematisch und vorsätzlich an der Bilanz manipuliert wird, ohne dass durch irgendwelche Kanäle irgendetwas nach außen dringt und das in den üblichen Finanzprüfungen auffällt. Ich gehe daher sehr stark davon aus, dass bei der KPMG Sonderprüfung keine schwerwiegende Verstöße auffallen werden.

Natürlich ist es nicht ausgeschlossen, dass auch Großkonzerne hier manipulieren können, was auch schon in der Vergangenheit geschehen ist - dennoch halte ich es für nicht sehr wahrscheinlich.


Daher sehe ich Wirecard, selbst wenn sich kurzfristig noch nicht viel bewegt, mittel- bis langfristig als gutes Investment an und ich habe Vertrauen darauf, dass ich hier irgendwann noch gute Gewinne für mich verzeichnen kann.


WICHTIG: Das bisher Erläuterte repräsentierte meine Meinung bis zum Mai 2020. Aufgrund der dramatischen Entwicklungen nach der KPMG Sonderprüfung und dem nicht bestätigten Testat von EY und der Unstimmigkeiten die aufgetaucht sind hatte ich im Juni 2020 das folgende ergänzt:


Eigentlich hätte am 18. Juni 2020 der Jahresbericht von Wirecard, der sich mehrfach verzögert hatte endlich veröffentlicht werden sollen. Jedoch wurde man am 18. Juni als Wirecard mit der Meldung überrascht, dass das Testat für den Abschlussbericht nicht erteilt werden konnte, da Unstimmigkeiten in der Bilanz gefunden wurde. Daraufhin gab es einen dramatischen Kurssturz auf 40-50 Euro. Und ich muss gestehen, dass ich hier den großen Fehler gemacht hatte nochmals 2 Tranchen zu kaufen. Dies geschah aus meiner bisherigen Erfahrung, dass bei solchen Eilmeldungen in der Regel überzogen reagiert wird und danach meist eine Zwischenerholung auftritt.

Dies war jedoch nicht der Fall und der Kurs rutschte am Folgetag erneut um ca.40 %. Wirecard war zum Zeitpunkt des Kurssturzes meine größte Einzelposition und ist nun signifikant zusammengeschrumpft. Welche Entscheidungen ich hier treffen werde, weiß ich noch nicht. Aktuell werde ich zunächst die weiteren Tage abwarten um zu sehen, welche Meldungen hier noch vom Management kommen.

Bisher handelt es sich bei mir nur um einen Buchverlust, aber realistisch gesehen ist es extrem unwahrscheinlich, dass es in der nächsten Zeit hier zu merklichen Erholungen des Kurses kommen kann. Im ungünstigsten Fall muss Wirecard Insolvenz melden und auch die restliche Anlagesumme ist weg. Daher halte ich es nicht für unwahrscheinlich, dass ich den Verlust hier auch realisieren werde um den Verlust mit Gewinnen steuerlich verrechnen zu können.

Ich hatte schon Berichte über eine mögliche Sammelklage gelesen, der man sich als Anleger anschließen kann. Das werde ich prüfen und auch überlegen, ob es Sinn macht, sich eintragen zu lassen.

Welche Szenarien sehe ich im weiteren Verlauf?

  1. Szenario 1: Insolvenzanmeldung seitens Wirecard, da Kredite nicht mehr bewilligt werden und die Kunden, die aufgrund des Vertrauensverlustes einen neuen Dienstleister suchen, weitere Einbußen bedeuten. Der Kurs geht gegen Null und die Aktie fliegt aus dem DAX (wird vermutlich sowieso passieren - daher werde ich in den anderen Szenarien nicht mehr darauf eingehen). Aufgrund der zusammengeschrumpften Bewertung wird die Karte vermutlich sowieso aus dem DAX fliegen, aber auch aufgrund der Bilanzprobleme.

  2. Szenario 2: Die Wirecard wird geschluckt. Ein Konkurrent kauft Wirecard um die Kunden zu übernehmen. Halte ich aktuell für recht unwahrscheinlich, da ich mir nicht vorstellen kann, dass ein Mitbewerber es sich antun will, die rechtlichen Probleme und Klagen, die dann auf ihn zukommen zu verarzten.

  3. Szenario 3. Der neuen Führungsriege gelingt es tatsächlich nach mehreren Jahren das Steuer herumzureißen und wieder Vertrauen aufzubauen. Ich kann den neuen CEO nicht einschätzen, aber das Handelsblatt hatte darüber berichtet, dass dieser eine makellose Vorgeschichte hatte und für das US Finanzministerium viele Jahre tätig war und gerade im Bereich Bekämpfung von Geldwäsche und Terrorismusfinanzierung. Besonders ersteres könnte ihm hier zugute kommen.

Selbst wenn Szenario 3 eintritt ist es für mich sehr unwahrscheinlich, dass sich in den nächsten Jahren viel in Sachen Kurserholung tun kann. Ich werde zunächst folgenden Tage abwarten um zu sehen, ob es eine leichte Erholung gibt und dann evt. aussteigen und das noch übrige Geld in andere Werte anlegen, denen ich bessere Chancen beimesse. Denn selbst wenn es hier eine Erholung geben sollte, wird diese vermutlich viele Jahre dauern.


Hier auch nochmal mein Mitgefühl an die vielen Mitbetroffenen, die hier wie ich auch eine große Chance am deutschen Aktienmarkt gesehen hatten. Leider gibt es nicht viele Werte an der deutschen Börse, die ein hohes Wachstum aufweisen, das in der Größenordnung von Wirecard lag.


Learnings:

Hieraus wird vermutlich mein wichtigstes Learning. Ich hatte im Vorfeld oft auch Wirecard als Opfer gesehen, als es die Querelen mit der Financial Times gab. Spätestens nachdem der KPMG-Sonderbericht veröffentlicht wurde, der ja eigentlich von Wirecard selbst beauftragt wurde und diese unklare Punkte aufzählte hätte ich hier den Stecker ziehen sollen. Ich hätte vor wenigen Wochen die Möglichkeit gehabt bei Wirecard mit einem schönen Gewinn auszusteigen, bevor die Aktie erneut kippte. Auch hier bestätigt sich wieder, das hohe Einzelpositionen nicht empfehlenswert sind und eine Diversifizierung wichtig ist. Glücklicherweise kann ich behaupten, dass ich sehr breit diversifiziert bin. Ich sollte definitiv als Learning mitnehmen, dass wenn wiederholt negative Gerüchte von mehreren Seiten über eine Firma aufflammen, diesen eine höhere Gewichtung beizumessen und meine eigenen Investments kritischer zu sehen. Durch das falsche Vertrauen in Wirecard ist der Depotanteil der Aktie am Gesamtdepot von ca. 5% zu den besten Zeiten bis auf 1-1,5% gerutscht. Bei diese Betrachtung habe ich auch Käufe/Verkäufe und Nachkäufe berücksichtigt.


Disclaimer: Ich gebe keine Anlageempfehlungen. Jeder ist für seine Investitionsentscheidungen selbst verantwortlich. Im schlimmsten Fall kann eine Investition zum Totalverlust führen.

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