Das Thema Teilgewinne ist für mich sehr wichtig, da es ein wesentlicher Bestandteil meiner Strategie ist und daher genauso wichtig, wie das Aussortieren von Aktien, die sich nicht wie gewünscht entwickeln, bevor sie sich zu massiven Verlusten entwickeln.
Als ich mich Ende 2018/Anfang 2019 dazu entschloss mich wieder mit dem Thema Börse zu befassen und mein finanzielles Schicksal hier größtenteils selbst in die Hand zu nehmen und nicht mehr irgendwelchen Bankberatern zu überlassen war für mich eines der großen Ziele eine Strategie für mich zu entwickeln, die mich vor größeren Verlusten bewahrt.
Eine Strategie die im wesentlichen auf Buy- and Hold basiert, die es aber dem Porfolio ermöglicht durch geschickt geplante Teilgewinnmitnahmen immer wieder neues Investitionskapital freizusetzen, das für neue Anlagen verwendet werden kann.
Mittlerweile blicke ich auf ca. eineinhalb Jahre zurück, einen Coronacrash und viele interessante Investitionen und habe inzwischen eine sehr gefestigte Idee, wie ich weiter an der Vergrößerung meines Aktienvermögens arbeiten möchte.
Wichtig ist für mich selbst zu definieren, wann der richtige Zeitpunkt gekommen ist Teilgewinne mitzunehmen. Gesamtpositionen will ich eigentlich eher selten verkaufen.
Das ideale Investment:
Der Idealfall eines Investments ist, wenn der Kurs über einen gewissen Zeitraum - das können Monate, ein Jahr aber auch viele Jahre sein - dass der Kurs sich stetig, natürlich inklusive des ein oder anderen Rücksetzers, nach oben entwickelt. Mein Ziel ist es einen Zeitpunkt zu finden an dem ich mein initial investiertes Kapital wieder komplett aus der Investition herausziehen kann und den Rest stehen lasse. Dadurch erreiche ich einen für mich wichtigen, psychischen Effekt. "Ich kann bei dieser Position nichts mehr verlieren".
Dadurch fällt es mir deutlich leichter mit zukünftigen Kurswacklern umzugehen, da, auch wenn die Aktie zukünftig um 50% einbricht ich immer noch keinen Verlust im Buch habe. Ziel ist es auf Dauer möglichst viele dieser Investments zu haben, so dass ich über die Zeit immer mehr Positionen im Depot habe, aus denen ich das initiale Investment wieder herausziehen konnte und dieses wieder in andere interessante Aktien investieren kann, manchmal auch in Aktien, die ich bereits im Depot habe, die aber ihrerseits einen Rücksetzer durchlaufen haben, den ich möglicherweise kaufen möchte.
Wann nehme ich Teilgewinne mit:
Leider gibt es auf diese Frage keine eindeutige Antwort. Es kommt darauf an. Hier spielt für mich die Phantasie eine große Rolle, die ich zu dieser Aktie im Kopf habe, sowie andere Faktoren:
Handelt es sich um stark wachsendes, noch kleineres Unternehmen?
Ist es bereits ein größerer Konzern mit nur begrenztem Wachstumspotenzial?
Ist das Unternehmen in einer Hype-Branche angesiedelt und der Kurs stark volatil?
Wie ist meine langfristige Phantasie zu diesem Unternehmen und wie überzeugt bin ich davon?
Wie ist die Nachrichtenlage und die Strategie des Unternehmens über die kommenden Jahre?
Spielen politische Faktoren eine Rolle?
In welchem Land ist das unternehmen notiert?
Ich kann also nicht alle meiner Unternehmen über einen Kamm scheren sondern muss im Einzelfall entscheiden.
Beispiele meiner Gewinnmitnahmen:
Die folgenden Grafiken sind aus der Software Porfolio Performance und zeigen meine Käufe (grün) und Verkäufe (rot):
Wayfair hatte ich mir genauer angeschaut, nachdem ich über ein Motley Fool Youtube Video gestolpert war (Ende 2019) in dem eine Empfehlung asugesprochen wurde. Da mich das Konzept überzeugte entschloss ich mich zu investieren. Im Coronacrash im Frühjahr ging der Kurs stark in die Knie aber ich hatte nicht verkauft (leider auch nicht nachgekauft). Nach der über 200% Gewinn entschloss ich mich hier mein initiales Invest wieder herauszuziehen (August 2020) - der Rest blieb stehen und darf mir zukünftige Gewinne bescheren. D.h. obwohl ich mein initiales Invest herausgezogen habe ist die aktuelle Positionsgröße immer noch ca. 2 mal so groß wie die Startsumme.
NEL, sowie auch einige weitere Wasserstoffwerte kaufte ich ich Anfang des Jahres. Hier, wie ich gestehen muss nicht aus Überzeugung, sondern aus politischen Gründen. Solange diese Branche politisch getrieben und finanziell subventioniert wird, nicht nur von Deutschland sondern auch von vielen anderen Ländern, existiert hier für mich eine erfolgsversprechende Entwicklung. Dennoch sind die Kurse hier sehr volatil und stark nachrichtengetrieben. Daher entschloss ich mich z.B. bei NEL dazu bereits bei ca. 100% Kursgewinn mein initiales Invest herauszuziehen, nachdem die Nikola-Gerüchteküche heißlief und absehbar war, dass sich dies auf den NEL Kurs auswirken wird.
D.h. auch hier ist das Startkapital wieder draußen und der Rest bleibt stehen und beschert mir hoffentlich irgendwann in 5 oder 10 Jahren mal einen Multibagger. Das Exitszenario bei Wasserstoffwerten ist bei mir abhängig von weiteren politischen Entscheidungen. Sollte hier der Wind drehen und es keine Subventionen mehr geben da sich die Strategie ändert, würde ich aussteigen.
Keine Aktie habe ich soviel gekauft und verkauft wie Tesla, wie man auch unten sieht. Hier gab es zahllose Ein- und Ausstiege, Zukäufe und Teilverkäufe und sogar einen Komplettverkauf. Hier kann ich rückblickend sagen, dass ich es definitiv nicht immer richtig gemacht habe. Hier wäre es am Schlausten gewesen einfach nichts zu machen (wie so häufig der Fall) und sich nicht von Rücksetzern aus der Ruhe bringen zu lassen. Ich habe es zwar bisher immer geschafft teurer zu verkaufen - dennoch sind mir hier Gewinne entgangen durch teilweise vorschnelle Entscheidungen.
Beispiele zukünftiger Gewinnmitnahmen:
Nicht immer nehme ich Gewinne mit wenn ich z.B. 100 oder 200% im Plus stehe. Wie schon angedeutet spielt hier für mich eine wesentliche Rolle, welche Phantasie ich bei diesem Unternehmen habe und welches Entwicklungspotenzial. So habe ich auch Unternehmen im Depot, die aktuell über +200% stehen, bei denen ich aber noch keine Gewinne realisiert habe, da ich einfach so überzeug von diesen Unternehmen bin, dass Teilgewinne hier noch hinausschieben möchte, um eine bessere Gesamtrendite erzielen zu können.
Beispielsweise CloudMD, ein Unternehmen im Telehealth Sektor, der zugegebenermaßen aktuell sehr gehypt wird. Dennoch hat dieses Unternehmen, sowie einige Mitbewerber hier ein enormes Entwicklungspotenzial, wächst stetig weiter und steht dennoch immer noch am Anfang der Erschließung eines riesigen Marktes. Diese Aktie kann meiner Meinung nach auch irgendwann 20, 50 oder 100 Euro wert sein.
Hier rechne ich auch immer wieder mit größeren Rücksetzern. Dennoch glaube ich hier fest daran, dass das Unternehmen es entweder selbst zum Branchenriesen schafft, oder von einem größeren Mitbewerber zu einem ordentlichen Premium gekauft wird. Aus aktueller Sicht kann ich mir hier eine erste Teilgewinnmitnahme bei ca. 400-500% vorstellen, um mein initiales Invest wieder herauszuziehen.
Zscaler - ein Unternehmen in der Cloudsicherheits-Branche. Durch die engen Verbindungen zu Microsoft für mich eines der Unternehmen mit den besten Zukunftsaussichten aus der Branche. Auch hier spielt die Phantasie mit, dass sie entweder selbst zum dominierenden Branchenriesen werden oder irgendwann von Microsoft gekauft werden. Da hier der Kurs schon sehr hoch ist sehe ich nach oben nicht so viel potenzial wie beispielsweise bei Cloud MD. Daher bin ich hier bereits nahe einer Zone bei der ich eine Gewinnmitnahme erwäge um mein Startkapital wieder herauszuziehen (aktuell bei knapp über +100% - Wünschenswert wären +150-200%). Da die US-Wahlen anstehen, bin ich hier etwas unsicher, ob ich nicht vor dem Wahlen Teilgewinne herausziehen sollte.
Auch bei Alibaba bin ich schon geraume Zeit dabei und hatte hier zusätzlich zur intialen Position nochmals nachgekauft, als der Kurs noch unter 100 Euro war. Bei Alibaba sehe ich noch einiges an Wachstumspotenzial und es wird interessant zu sehen, ob der Kurs hier nicht nochmal eine Aufwärtsbewegung macht wenn am 11. November (Singles Day) vermutlich wieder neue Verkaufsrekorde gebrochen werden. Bei Alibaba strebe ich Teilgewinne an, wenn ich bei ca. +200% angelangt bin um mein intiales Invest wieder herauszuziehen.
Zusammenfassung:
Es läßt sich also zusammenfassend sagen, dass die Art und der Zeitpunkt der Teilgewinnmitnahme stark abhängig ist von der jeweiligen Aktie, der Marksituation, dem Börsenplatz aber auch vom weiteren Entwicklungspotenzial, das ich in diesem Unternehmen sehe - meine Investmentphantasie. Der springende Punkt ist, man sollte zu jedem seiner Investment einen Schlachtplan zurechtlegen:
Welche Gewinne möchte ich erzielen?
Ist es eine kurzfristige, mittelfristige oder langfristige Anlage?
Welche Risiken gibt es und was ist mein Exitszenario?
Ein Großteil meiner Anlagen ist langfristig geplant (5-10 Jahre und länger). Mit mittelfristigen Teilgewinnmitnahmen, wo möglich und sinnvoll, werde ich ähnlich verfahren. Es kann aber sein, dass ich bei einem kürzeren Anlagehorizont evt. schon bei +30% oder +50% Gewinnen mein initial investiertes Kapital wieder heraushole und den Rest ebenfalls stehen lasse. In dieser Hinsicht verfolge ich eine ähnliche Strategie wie auch Frau Sander, die ihr Portfolio auch kontinuierlich erweitern konnte, in dem sie immer mal wieder zu guten Kursen nachkaufte und bei hohen Kursen Teilgewinne realisierte.
Comments